World Brain Day: Welttag des Gehirns im Zeichen von älter werdenden Gesellschaften: „Alter nicht als Last begreifen“

Statement Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grisold, Generalsekretär der Weltföderation für Neurologie; Vorstand der Neurologischen Abteilung im Sozialmedizinischen Zentrum Süd, Wien

Die Weltföderation für Neurologie (WFN) hat den 22. Juli zum „Welttag des Gehirns“ erklärt. Das Thema dieses Jahres ist „The ageing brain“. Diese Initiative, an der sich auch die Österreichische Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) als Mitglied der WFN beteiligt, soll zu mehr Aufmerksamkeit für die Bedeutung der Gehirn-Gesundheit und die Prävention oft unterschätzter neurologischer Erkrankungen beitragen. 2016 steht beim Welttag des Gehirns, der dieses Jahr zum dritten Mal stattfindet, die Gehirngesundheit in älter werdenden Gesellschaften im Mittelpunkt.

Und das aus gutem Grund: Es steht fest, dass ein gesundes Gehirn einer der wichtigsten Faktoren für ein Leben älterer Menschen in Selbständigkeit und ohne Behinderung ist. Mit dem diesjährigen Welttag des Gehirns wollen wir auf die Bedeutung neurologischer Erkrankungen im Alter und ihrer angemessenen Behandlung hinweisen, aber auch für die Möglichkeiten der Prävention sensibilisieren – Prof. Schmidt hat ja bereits die entsprechenden Maßnahmen, die sich in Studien bewährt haben, beschrieben.

Ein besonders wichtiges Anliegen ist es, dass in Diskussionen über die demographische Entwicklung das Altern und ältere Menschen nicht immer nur als Last und als Kostenfaktor dargestellt werden. Hier müssen wir Neurologen als Anwälte der Interessen unserer Patientinnen und Patienten auftreten. Hinweise auf knapper werdende Gesundheitsbudgets können wir in diesem Zusammenhang nicht gelten lassen. Den Aufwand für die Betreuung, Therapie und Pflege unserer älteren Mitmenschen muss sich eine Gesellschaft einfach leisten. Die Fortschritte der modernen Neurologie können viel zu einer besseren Versorgung einer älter werdenden Bevölkerung beitragen.

Rehabilitation und Palliativ-Neurologie gewinnen an Bedeutung

Neben einer ausreichenden neurologischen Akutversorgung geht es auch um den weiteren Ausbau der Rehabilitationskapazitäten und der Möglichkeiten zur langfristigen Betreuung chronisch Kranker. Eine zunehmend wichtige Rolle wird dabei der noch vergleichsweise jungen Disziplin der Palliativmedizin zukommen. Oft wird darunter nur die Begleitung Sterbender (end of life) verstanden. Das Konzept der Palliativmedizin reicht aber viel weiter und kann auf die neurologischen Auswirkungen eines unheilbaren Krankheitszustands auch über längere Zeiträume eingehen und Behandlungskonzepte bieten. Wir müssen Ärzten und Ärztinnen in diesem Zusammenhang noch stärker vermitteln, dass sie auch dann erfolgreich sind, wenn sie zwar nicht heilen aber schwerkranken Patientinnen und Patienten ein Stück Lebensqualität zurückgegeben. Und es bedarf noch großer Anstrengungen, um die spezifische Forschung voranzutreiben und die gewonnenen Erkenntnisse in der klinischen Praxis umzusetzen.

Globale Ungleichheiten beseitigen

Die Gesundheitspolitik aller Länder wäre jedenfalls gut beraten, wenn sie der Neurologie die Priorität zukommen lässt, die der Bedeutung neurologischer Krankheiten entspricht. Die Möglichkeiten dafür sind allerdings weltweit höchst ungleich verteilt. Nach wie vor haben zu viele Menschen auf der ganzen Welt entweder keinen oder nur unzureichenden Zugang zu neurologischer Versorgung. Die Zahl der Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner, zum Beispiel, ist in den WHO-Regionen Afrika (0,23 pro 100.000) und Südostasien (0,28 pro 100.000) am niedrigsten. Die Zahl der öffentlichen Krankenhaus-Betten für Neurologie-Patienten ist in den Weltregionen mit niedrigem Einkommen im Vergleich zu jenen mit hohem Einkommen deutlich geringer.

Diese erschreckenden Ungleichheiten dürfen wir nicht hinnehmen. Insbesondere, wenn wir bedenken, dass bereits im Jahr 2025 rund 80 Prozent der älteren Bevölkerung in weniger entwickelten Weltregionen leben werden. Die WFN wird sich daher zukünftig noch vehementer für eine gerechtere Verteilung der globalen Ressourcen einsetzen.

Wissenstransfer und Fortbildung 

Ein weiteres wichtiges Ziel der WFN ist es, die Qualität der Neurologie weltweit zu fördern. Für eine hochwertige neurologische Versorgung ist eine gute Aus- und Weiterbildung notwendig. Die WFN finanziert eine Vielzahl von Unterstützungsmaßnahmen, wie Reisestipendien, internationale Kurse, Fortbildungszentren oder Zuschüsse für lokale Projekte (Grants).

Wir fördern auch Austauschprogramme, die jungen Neurologen aus Ländern mit niederem Einkommen den Besuch neurologischer Abteilungen in Europa ermöglicht. Sie werden dazu von den nationalen neurologischen Gesellschaften in der Türkei, Österreich und Norwegen eingeladen. Ähnliche Programme gibt es auch für Südamerika, wo der Neurologen-Nachwuchs zum Beispiel in Mexiko Erfahrungen sammeln kann. Ein besonderer Erfolg sind unsere Teaching Centres (TC) in Afrika. Zwei dieser Zentren gibt es bereits in Rabat und Kairo, in Dakar und Kapstadt sind zwei weitere im Aufbau. All das sind wichtige Impulse für die Gesundheitsversorgung in weniger privilegierten Teilen der Welt.

Unter www.wfneurology.org/world-brain-day-2016 stehen ab sofort Materialien und Videobotschaften von WFN-Experten zum Welttag des Gehirns zur Verfügung.

Lesen Sie mehr über den Welttag des Gehirns 2016 (World Brain Day)

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